Die Professoren Treede, Müller-Tidow, Frantz und Michl (v. l.)
Es ist ein besonderer und feierlicher Akt in der akademischen Laufbahn: die Antrittsvorlesung eines Professors. Gleich vier Professoren an einem Nachmittag dabei zu erleben, wie es mit den Medizin-Professoren Stefan Frantz, Patrick Michl, Carsten Müller-Tidow und Hendrik Treede der Fall war, ist aber doch eher ungewöhnlich. Und dass sich dann auch noch alle vier auf das gleiche Thema geeinigt hatten, ist vermutlich so leicht nicht zu überbieten und hat es, so sagte Dekan Prof. Michael Gekle in seinem Grußwort, an der Medizinischen Fakultät auch noch nicht gegeben.
Prof. Gekle fand am vergangenen Freitagnachmittag in der Aula des Löwengebäudes der Universität Halle zudem amüsante Beispiele von anderen „Quartetten, die die Welt verändert oder vielleicht sogar etwas besser gemacht haben“: die Beatles, Pink Floyd und die Fantastischen Vier. In diesem Duktus stellte er dann die Vortragenden, bei denen die Harmonie sogar soweit gehen würde, dass drei Internisten einen Herzchirurgen in ihr Quartett aufgenommen haben, vor: „am Herzkatheter“ Prof. Stefan Frantz, „am Endoskop“ Prof. Patrick Michl und „am Skalpell“ Prof. Hendrik Treede. Bei Prof. Carsten Müller-Tidow sei ihm kein Instrument eingefallen, außer „Sequenzierung“ vielleicht, scherzte der Dekan und schlussfolgerte: „Damit ist die Band komplett.“
Die „Beatles“ der halleschen Universitätsmedizin
Eine „Band“, die von der Attraktivität des Standortes Halle habe überzeugt werden können und damit eine Profilstärkung im Bereich der Onkologie und der Herz-Kreislauf-Erkrankungen herbeiführe, so Prof. Gekle weiter. Und um die Steckenpferde der vier Professoren ging es dann schließlich in den Antrittsvorlesungen.
Im Beisein ihrer Familien, zahlreicher Wegbegleiter, Freunde, Bekannten und Kollegen der Universitätsmedizin Halle (Saale) sprachen die vier zum Thema „Vom Generalisten zum Spezialisten – Zukunftsperspektiven der universitären Herz- und Tumormedizin“. Jeder ging dabei auf die Entwicklung in seinem Fachgebiet ein und zeigte Vor- und Nachteile. Zum einen dürfe man nicht den Patienten als ganzes aus dem Blick verlieren, weil es beispielsweise im kardiovaskulären Bereich viele Überschneidungen gebe, aber auch Zusammenhänge zwischen Herzerkrankungen und Depressionen, sagte Prof. Frantz.
Gleichzeitig sei die Spezialisierung aber wichtig, um Sub-Gebiete des eigenen Faches zu beherrschen, so Prof. Michl. Sein Hauptaugenmerk gelte in dem Fall der Forschung über das Pankreaskarzinom, das die „Negativ-Hitliste“ der Krebserkrankungen anführt. Es brauche, und damit sprach er auch für seine drei Kollegen, „maßgeschneiderte Therapieansätze basierend auf der molekularen Charakterisierung der Tumoren“. Dabei stehe auch immer die Frage im Raum: „Wie profitiert der Patient?“ Sein Fazit: „Eine moderne Tumormedizin ist nur mit Spezialisten möglich“, so Prof. Michl. Die Gefahr sei aber, dass eine Überspezialisierung stattfinde, der Fortschritt überschätzt werde und der Verlust der Urteilsfähigkeit zwischen Machbarem und Verantwortbarem drohe.
Prof. Müller-Tidow sprach über sein Spezialgebiet, die Akute Myeloische Leukämie, und in diesem Zusammenhang von einer erblich bedingten Form sowie der Frage, wie die beste Therapie zu finden sei. Im Bereich der Forschung spiele dabei die Therapieresistenz von Tumor-Stammzellen und ihre Überführung in behandelbare „normale“ Tumorzellen eine wichtige Rolle. Um zu verdeutlichen, dass es dafür Spezialisten und Generalisten brauche, verwies er auf Harry Potter: Selbst die Zauberer würden auf beides setzen.
Den Schlussakkord der Vorträge übernahm
Prof. Treede. Sein Fachgebiet, die Herzchirurgie, habe sich aus der Allgemeinchirurgie abgespalten. Eine konsequente Entwicklung, die sicher auch noch weitergehen werde, wie Prof. Treede verdeutlichte, denn Individualisierung bedeute schließlich auch Spezialisierung. Das Ziel für Halle sei daher die Etablierung einer neuen interventionellen Herzchirurgie sowie des Comprehensive Heart Centers (Mitteldeutsches Herzzentrum) mit den Aufgaben Krankenversorgung und Forschung zu gleichen Teilen.
Mit einem Dank an die vier Ehefrauen, einem Sektempfang sowie der spontan möglichen Besichtigung der Ausstellung „Frauen in der Wissenschaft“ bzw. besonderer Exponate der wissenschaftlichen Sammlungen der Universität unter fachkundiger Anleitung fand die festliche Veranstaltung ihren Ausklang.