Medizinethik-Professor Jan Schildmann hält Antrittsvorlesung

Es ist eine akademische Tradition, die bis heute gern gepflegt wird, wenn eine Professorin oder ein Professor einen Lehrstuhl übernimmt: die feierliche Antrittsvorlesung. Dieser Tradition ist am vergangenen Freitag, dem 8. Februar 2019, auch Prof. Dr. Jan Schildmann gefolgt, der im vergangenen Jahr als Professor und Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) berufen wurde. Im vollbesetzten Historischen Hörsaal des Löwengebäudes der MLU sprach er nach der Begrüßung und einleitenden Worten des Dekans der Medizinischen Faktultät, Prof. Dr. Michael Gekle, zu seinem wissenschaftlichen Schwerpunktthema unter dem Titel „Indikation und Patientenautonomie am Lebensende. Ein Beitrag aus der Klinischen Ethik“.

Prof. Jan Schildmann hielt seine Antrittsvorlesung zum Thema „Indikation und Patientenautonomie am Lebensende. Ein Beitrag aus der Klinischen Ethik“ im Historischen Hörsaal des Löwengebäudes der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Mit Lebensende wird häufig auch ein hohes Alter assoziiert, doch auch junge oder jüngere Menschen müssen sich beispielsweise aufgrund schwerer Erkrankungen damit auseinandersetzen. Und in den meisten Fällen nicht nur sie, sondern auch ihre Angehörigen all dieser Menschen. In diesem emotionalen Spannungsfeld stecken Mediziner mittendrin, so dass sich ganz konkret die Frage ihrer Rolle zwischen Indikationsstellung, Patientenselbstbestimmung und Entscheidungsfindung stellt. Schildmann ging darauf genauso ein, wie auch darauf, dass dieser Prozess ebenfalls ein wissenschaftlich geleiteter sein sollte und empirisch und ethisch betrachtet werden muss. Das medizinisch Mögliche, das vom Patienten – oder in bestimmten Situationen, wenn es der oder die Betroffene nicht mehr kann, von den Angehörigen – gewollte Handeln der Ärzte müssen in Einklang gebracht werden. Und das ist gar nicht einfach und sehr individuell.

„Es geht los mit der Schwierigkeit der unterschiedlichen Meinungen zwischen Kollegen oder auch Kliniken und weiter mit der Frage: ‚Muss der Patient einbezogen werden'“, sagte Schildmann und erzählte eine Anekdote aus seinem Berufsleben als junger Arzt, als er von zwei verschiedenen Kollegen zwei gegensätzliche Anweisungen erhalten hatte. Denn, Werturteile fließen bewusst oder auch unbewusst in Entscheidungen zu Therapiezielen oder Ziel-Mittel-Relationen ein, wie auch in empirischen Befragungen von Ärzten deutlich wurde, die Schildmann als Beispiele anführte. „So kann unter anderem die Alterskomponente die Wahl der Therapie beeinflussen“, so Schildmann. Bei jüngeren Krebspatienten könne das zum Beispiel dazu führen, dass eine aggressivere Therapie zur Anwendung komme als bei älteren Patienten, sozusagen die Abwägung „der Mensch hat sein ganzes Leben noch vor sich versus der Mensch hat sein Leben gelebt“.

Doch die Entscheidung liege nicht bei den Ärztinnen und Ärzten allein, sondern wichtig sei der „Informed Consent“, also die Einwilligung der Patientin oder des Patienten nach einer entsprechenden Aufklärung über die Möglichkeiten. Um diese Einwilligung geben zu können, brauche es Information, Selbstbestimmungsfähigkeit und Freiwilligkeit, führte Schildmann aus. Er verwies dabei auf die Quelle dieser Aussage, Prof. Jochen Vollmann von der Ruhr-Universität Bochum, der ebenfalls zur Antrittsvorlesung gekommen war.

Deswegen sei es wichtig, so Schildmann, mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen, wie die Aufklärung und Entscheidungsfindung von Patienten wahrgenommen und bewertet werde, aber auch die Perspektive von Ärztinnen und Ärzten zur Entscheidungsfindung beitrage und zeigte dies an Studien von an Pankreaskarzinom erkrankten Menschen und ihren behandelnden Onkologinnen bzw. Onkologen, die er mit anderen Wissenschaftlern zusammen durchgeführt hatte (2010, 2012 und 2013). Dabei zeigte sich, dass sich die Prioritäten von Patienten im Verlauf der Erkrankung verändern und das die ärztliche Indikationsstellung von ethisch relevanten Bewertungen beeinflusst ist. Die Aufgabe der Medizinethik sei es daher, die „Gültigkeit moralischer Urteile (im Hinblick auf den Handlungsbereich der Medizin) kritisch zu reflektieren und zu prüfen“.

Zum Abschluss dankte Schildmann früheren und aktuellen Kolleginnen und Kollegen, explizit auch seinen Sekretärinnen, dem Dekan Prof. Gekle, dem Profilzentrum Gesundheitswissenschaften, das an der Medizinischen Fakultät angesiedelt ist, dem ehemaligen Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, Prof. Florian Steger, mit dem er vor 15 Jahren bereits zusammen publizierte, Prof. Wolf-Dieter Ludwig aus Berlin und Prof. Vollmann, die seine Tätigkeit maßgeblich geprägt haben, Freunden aus der Schul- und aus der Studienzeit, Mentoren und Schildmanns Familie, insbesondere seiner Frau Eva, „dass wir diesen Weg zusammen gehen dürfen“.

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