Wenn Dr. Dawit Worku, den alle nur Dr. Dawit nennen, nach Äthiopien zurückkehrt, wird er eines nicht vermissen: das kalte Wetter in Deutschland. Die Kolleginnen und Kollegen der Universitätsklinik und Poliklinik für Gynäkologie am Universitätsklinikum Halle (Saale) hingegen schon. Mit ihnen hat der 32-jährige Arzt in den vergangenen zwei Wochen zusammengearbeitet und sich im Bereich der gynäkologischen Onkologie neues Wissen angeeignet.
In Äthiopien sind Brustkrebs und Gebärmutterhalskrebs die häufigsten Krebserkrankungen, die in den meisten Fällen wegen zu spät erfolgender Diagnose und Therapie tödlich enden. Äthiopische Frauen würden, oft aus Unwissenheit, viel zu spät einen Arzt aufsuchen, so dass die Erkrankungen schon weit fortgeschritten seien.
Seit Jahren engagiert sich daher die hallesche Universitätsmedizin, vor allem in Person von Dr. Eva Kantelhardt und Prof. Dr. Christoph Thomssen – und über die Jahre finanziell gefördert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) oder dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) -, in dem afrikanischen Land. „Eines unserer Ziele ist es, dass wir in Äthiopien etwas Vergleichbares wie eine Prüfung zur Subspezialisierung Gynäko-Onkologie etablieren. Das wäre ein wichtiger weiterer Schritt in der medizinischen Entwicklung des Landes, bei dem bereits innerhalb von zehn Jahren die Anzahl der Medizinischen Fakultäten von drei auf 20 gewachsen ist“, sagt Thomssen, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Gynäkologie des Universitätsklinikums Halle (Saale).
Ein anderes Ziel sei, ein landesweites Screening für Gebärmutterhalskrebs aufzubauen. Und auch bei Brustkrebs gebe es in Äthiopien eine Besonderheit, die die Behandlung mit Medikamenten sehr gut ermögliche: Er sei nicht, wie bisher angenommen, hormonrezeptor-negativ, sondern häufig hormonrezeptor-positiv. Daraus sei ein spendenfinanziertes Projekt der halleschen Uni-Klinik für Gynäkologie erwachsen, durch das Brustkrebspatientinnen in Äthiopien eine kostengünstige und effektive Krebsbehandlung ermöglicht wird.
Nachdem Prof. Thomssen gerade erst in Äthiopien war, ist nun Dr. Dawit in Deutschland. Er arbeitet normalerweise im Black Lion Hospital in der Hauptstadt Addis Abeba. „Wir machen vor allem sehr viele Operationen. Hier in Halle habe ich zum Beispiel meine Fertigkeiten im Bereich minimal-invasive Eingriffe erweitert“, sagt er. Dann folge normalerweise auch eine Chemotherapie – sofern es möglich sei.
Die Wartelisten für Chemotherapien in Äthiopien seien lang, weil es nicht genug Einrichtungen gebe. Für Bestrahlungen gebe es im ganzen Land sogar nur ein einziges Gerät – bei einer Bevölkerung von mehr als 100 Millionen Menschen; 75 Geräte seien für eine adäquate onkologische Versorgung notwendig. Auch Prävention, beispielsweise mit Impfungen gegen HP-Viren, die als Verursacher für Gebärmutterhalskrebs gelten, gebe es nicht, ergänzt Kantelhardt.
„Außerdem haben wir das Problem, dass wir teilweise nicht alle Medikamente im Krankenhaus vorrätig haben. Die Krankenhausbehandlung selbst ist bei uns in Äthiopien sehr günstig, das können sich auch arme Menschen leisten, aber wenn sich die Menschen die Medikamente in Apotheken kaufen müssen, ist das sehr teuer“, erzählt Dawit. Die Möglichkeit der ambulanten Chemotherapie in Halle habe ihn beeindruckt, ebenso die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen des Universitätsklinikums im sogenannten „interdisziplinären Tumor-Board“ des onkologischen Krebszentrums. Beides werde er als Anregungen mit nach Äthiopien nehmen. Die zwei Wochen in Halle werde er in sehr guter Erinnerung behalten, denn es seien alle sehr hilfsbereit gewesen, hätten ihm die Patienten bei der Visite sogar auf Englisch vorgestellt und er habe viel lernen können, sagt er aufrichtig dankbar. Dawit hat auch selbst einen hervorragenden Fortbildungsvortrag für die Kolleginnen und Kollegen an der Uni Halle gehalten. „Das war wirklich beispielhaft“, lobt Thomssen.
Gynäkologe sei er geworden, weil er in der fachlichen Ausbildung nach dem Studium diese Fachrichtung am interessantesten fand. „Ich habe das Gefühl, dass ich darin viel Gutes tun kann“, sagt Dawit. Mittlerweile ist er im dritten Jahr seiner Subspezialisierung und schließt diese bald ab.
Im Übrigen hat sich in der Medizin weltweit vieles angeglichen: In Addis Abeba wie in Halle ist inzwischen ein WHO-Standard umgesetzt worden: Das Team-Time-Out vor jeder Operation. „Bevor es losgeht, übernimmt einer die Funktion und stellt zum einen alle im OP anwesenden Menschen namentlich und mit ihrer Funktion vor und fasst dann die Diagnose und die geplante OP der Patientin noch einmal zusammen. Damit schafft man eine Team-Atmosphäre im OP, denn man arbeitet ja nicht immer mit den gleichen Kolleginnen und Kollegen im OP, es sind dann alle auf dem gleichen Stand und es hilft, sich auf das Kommende zu fokussieren“, erklärt Thomssen. Auch wenn das, weil man sich zum Teil ja schon lange kenne, am Anfang schon erheiternd sei. Dawit berichtet davon, wie dies in Äthiopien läuft: Auch wenn die Ressourcen manchmal fehlen, die Abläufe stimmen.
Und da der Austausch mit Äthiopien etabliert und nicht mehr wegzudenken ist, werden sich die halleschen und äthiopischen Kollegen nicht das letzte Mal über den Weg gelaufen sein.