Die Bauzäune und die teils aufgerissenen Straßen rings um das neue Proteinzentrum verraten es: Hier wird gebaut. Und auch in dem Gebäude sind zahlreiche Handwerker zugange. Sie installieren die Haustechnik, verlegen Kabel und statten die insgesamt 125 Labore und 62 Büros mit ihrer Grundeinrichtung aus. Der Bund und das Land Sachsen-Anhalt investieren gemeinsam rund 40 Millionen Euro in den neuen Forschungsbau. Künftig werden im Proteinzentrum 255 Beschäftige aus zwölf Arbeitsgruppen der Medizinischen Fakultät sowie der Naturwissenschaftlichen Fakultäten I und II ansässig sein und gemeinsam aktuelle Fragen der Proteinbiochemie bearbeiten. Je vier Arbeitsgruppen teilen sich eines der drei Obergeschosse.
Das Geld sei am Weinberg-Campus gut investiert, sagt Rektor Prof. Dr. Udo Sträter: „Das Proteinzentrum wird den Forschungsschwerpunkt in den Molekularen Biowissenschaften nachhaltig stärken. Kooperationen zwischen den beteiligten Fakultäten, wie sie bereits heute erfolgreich praktiziert werden, lassen sich durch die moderne Forschungsinfrastruktur und die räumliche Nähe künftig noch weiter vertiefen.“ Er selbst war zuletzt bei der Grundsteinlegung für das neue Forschungszentrum im Dezember 2014 vor Ort.
Was seitdem alles geschehen ist, zeigt Frank Sauerländer, Projektleiter für das Proteinzentrum seitens der Universität, auf seinem Rundgang: Er führt zunächst durch die Räume im Erdgeschoss, wo sich vor allem Besprechungs- und Lagerräume befinden. Aber auch moderne Kernspinresonanz-Spektroskope werden hier im nächsten Sommer ihr Zuhause finden. „Aufgrund ihrer extrem starken Magnetfelder müssen die Spektroskope in einen Raum gesetzt werden, der möglichst weit von den anderen Gerätschaften entfernt ist, damit diese nicht beeinflusst werden“, erklärt Sauerländer.
Kurze Wege
Die Architektur des Proteinzentrums leitet sich von einem Quader ab: Links und rechts sind die Seiten des Gebäudes etwas verschoben. „Dadurch lässt sich für Büroräume und Labore mehr Tageslicht gewinnen“, so Sauerländer. Über mehrere Zwischengänge sind die beiden Gebäudekomplexe direkt miteinander verbunden, sodass zwischen Schreibtisch und Arbeitsbank im Labor nur kurze Wege liegen. Eine weitere gestalterische Besonderheit: Die Bürotüren sind in Schwarz gehalten, die Türen zu den Laboren dagegen in Weiß.
Diese moderne Gestaltung kommt auch bei den künftigen Benutzern des Zentrums gut an. Prof. Dr. Milton T. Stubbs, der designierte Sprecher des Proteinzentrums, ist vom neuen Gebäude begeistert: „Es sieht alles sehr gut aus und ich freue mich zu sehen, wie aus den Plänen auf Papier wirkliche Räume entstehen.“ Stubbs erforscht die Struktur von Proteinen mittels Röntgenmikroskopie. Noch sind seine Labore auf mehrere Etagen im Institut für Biochemie verteilt. Im Proteinzentrum werden seine Räume künftig in einem Stockwerk liegen. Ein Vorteil, der durch das neue Gebäude der gesamten Proteinforschung in Halle zugutekommt: „Bisher waren die Arbeitsgruppe auf viele Standorte verteilt, gerade die Arbeitsgruppen der Medizinischen Fakultät lagen etwas weiter weg. Jetzt haben wir alle unter einem Dach. Dadurch werden wir uns noch stärker austauschen können.“ Die Arbeitsgruppen der Medizin sind die von Prof. Dr. Stefan Hüttelmaier, Prof. Stephan Feller und Juniorprofessor Dr. Tony Gutschner, die bisher im ZAMED (Zentrum für Angewandte Medizinische und Humanbiologische Forschung) angesiedelt sind.
Die AG Hüttelmaier untersucht vor allem RNA-bindende Proteine und nicht-kodierende RNAs (ncRNAs). Aktuelle Projekte konzentrieren sich dabei auf eine Familie RNA-bindender Proteine, die als IGF2BPs (IGF2 mRNA binding protein) bezeichnet werden. Die AG Feller betreibt Grundlagenforschung, vor allem molekulare Analysen zur onkogenen Signaltransduktion. Die Forschungsprojekte der AG Gutschner zielen darauf ab, die molekulare Funktion und die Regulationsprinzipien zu enträtseln, die von nicht-kodierenden RNA und RNA-bindenden Proteinen in menschlichen Krebserkrankungen ausgehen.
Technikpark auf dem Dach
Auf dem Proteinzentrum befindet sich noch ein weiteres Highlight:
Hinter modernen Schallschutzwänden versteckt befindet sich die Gebäudetechnik, also Entlüftungs- und Ansauganlagen, Filterregister und auch die Automatisierungszentrale, mit der sich die komplette Haustechnik steuern lässt. Mit bloßem Auge nicht zu sehen ist noch eine weitere Verbindung – zum IT-Servicezentrum der Universität. Die dort in den Serverräumen entstehende Wärme wird über eine Leitung ins Proteinzentrum überführt und kann dort zur kompletten Beheizung der Räume genutzt werden.
Noch bis Ende des Sommers dauern die Bauarbeiten in den Räumen des Proteinzentrums, das eine Hauptnutzfläche von rund 5.400 Quadratmetern hat. Mehrere Hundert Kilometer an Strom- und Datenkabeln sind dafür bereits verlegt worden. Wenn der Innenausbau komplett abgeschlossen ist, können nach und nach die Forschungsgeräte umziehen: Dazu gehören NMR-Spektroskope, hochauflösende Lichtmikroskope und Massenspektrometer. Zum Sommer 2018 sollen dann die einzelnen Arbeitsgruppen ihre neuen Räume in Bezug nehmen.
Benannt wird das künftige Proteinzentrum nach dem Wissenschaftler Charles Tanford (1921-2009), einem Pionier der Proteinforschung. Auch damit soll die herausragende Bedeutung des Forschungszentrums deutlich werden. Tanford wurde unter dem Namen Karl Tannenbaum in Halle geboren. Die jüdische Familie emigrierte 1929 nach England und änderte dort ihren Familiennamen. Charles Tanford erhielt seine akademische Ausbildung in den USA und verbrachte dort sein gesamtes wissenschaftliches Leben. Er führte insbesondere grundlegende Arbeiten zur Stabilität der Proteinstruktur durch.
Text: Tom Leonhardt mit Ergänzungen von Cornelia Fuhrmann, Fotos: Cornelia Fuhrmann