So ganz unbekannt war den beiden New Yorker Medizinstudenten Brandon Mogrovejo und Shaheen Malick Halle nicht. Allerdings kannten sie es bisher nur aus den Konferenzen über die Laptop-Kameras und es reichte dementsprechend über einige Räume und den Präpariersaal des Instituts für Anatomie und Zellbiologie nicht hinaus. Denn beide gehören zu Studierenden eines Projekts zwischen dem Institut der MLU und der Columbia University New York, die im vergangenen Jahr parallel an ihren jeweiligen Unis ihren Präparierkurs absolviert und sich darüber international mittels Skype ausgetauscht haben. Auch Studierende der Universität von Kyoto in Japan waren daran beteiligt.
Aus der digitalen Welt wurde nun für die beiden New Yorker die reale Welt. Noch bis zum 8. Juli sind sie am halleschen Institut in der Arbeitsgruppe von Professorin Dr. Heike Kielstein zu Gast. „Es war ein glücklicher Zufall. Uns wurde in New York angeboten, an dem Skype-Projekt teilzunehmen und danach sind wir gefragt worden, ob wir ins Ausland gehen möchten“, erzählt der 23 Jahre alte Brandon. Er war das letzte Mal als kleines Kind in Europa, genauer in Spanien, und seither nicht mehr. Nach seinem Aufenthalt in Halle geht es für ihn zudem noch nach Kyoto. Für Shaheen ist es auch der zweite Aufenthalt in Europa.
Die erste Woche haben die beiden amerikanischen Studenten zum Akklimatisieren genutzt und sich gleich die Stadt angeschaut, aber auch Ausflüge nach Dresden und Leipzig gemacht. „Wir waren beim Bachfest, das war großartig. Musik scheint wie ein Teil der DNS der Menschen hier zu sein, es war toll, die Hingabe von jedem für dieses Fest zu sehen und wie die Musik Menschen zusammenbringt“, schwärmt der 24 Jahre alte Shaheen, der selbst Cello spielt.
Als einen großen Unterschied zwischen den USA und Deutschland haben die beiden bereits den Bildungsweg ausgemacht. Bevor es für sie an die „Medical School“ ging, haben sie bereits das College besucht und Abschlüsse in anderen Fächern erworben. Während Brandon einen Abschluss in Afrika-Studien hat, ist Shaheen in Musik ausgebildet und hat einen Master in Ernährungswissenschaften. Auch kostet das Studium in den USA viel Geld, rund 50.000 Dollar pro Jahr. Die Kredite dafür müssen sie später, wenn sie dann Ärzte sind, zurückzahlen.
Doch erstmal sind sie wie ihre deutschen Kommilitonen im zweiten Jahr ihres Medizinstudiums. In den ersten Tagen des Aufenthalts standen Brandon und Shaheen die halleschen Skype-Partnerinnen des Projekts mit Rat und Tat zur Seite. „Wir haben gleich am Anfang so viele Medizinstudierende kennengelernt, die alle sehr nett und hilfsbereit sind, Vorlesungen besucht und werden uns auch klinische Kurse anschauen“, erzählt Shaheen. Die Vorlesungen seien in beiden Ländern sehr ähnlich aufgebaut, in Halle studieren allerdings in einem Jahrgang etwa 100 angehende Ärztinnen und Ärzte mehr als an der Columbia University. Auch die Sprachbarriere versuchen die deutschen Studierenden gleich abzubauen und übersetzen vieles für die Gäste von der amerikanischen Ostküste. „Die wissenschaftlichen Begriffe sind bei uns ja die gleichen, aber das restliche Verstehen? Das ist nahezu bei null“, sagt Brandon lachend.
Beide werden während ihres Aufenthaltes in die wissenschaftlichen Projekte der Arbeitsgruppe von Prof. Kielstein eingebunden und dazu gehört, zunächst die wissenschaftlichen Publikationen zu den Forschungsprojekten zu lesen. „Wir wollen nun auch einfachere Experimente wie Western Blots machen“, sagt Shaheen. Brandon hat zudem bereits Einblicke in die Forschung zu den Natürlichen Killerzellen (NK) im Zusammenhang mit Adipositas bekommen. „Wir vergleichen den BMI und testen Zellfunktionen von Zellen gesunder Menschen und von Krebszellen“, erklärt er.
Sowohl Shaheen als auch Brandon interessieren sich vor allem für Innere Medizin, Infektionskrankheiten, Onkologie aber auch Pädiatrie. Für eine Richtung entschieden hat sich aber noch keiner von ihnen. „Ich könnte mir auch vorstellen, eine akademische Karriere einzuschlagen, weil mir unterrichten Spaß macht“, sagt Brandon. Shaheen denkt bereits jetzt ernsthaft über ein Forschungsjahr nach dem Studium nach. Und das könnte er sich durchaus in Deutschland vorstellen.
Prof. Kielstein wird es freuen. Sie hat seit einiger Zeit den Kontakt zu den USA aufgebaut und mit den Kolleginnen dort den Austausch initiiert. Beide Seiten haben damit nur gute Erfahrungen gemacht, denn die Studierenden sind begeistert bei der Sache und erfahren viel über die Gegebenheiten, zum Beispiel die Gesundheitssysteme, des jeweils anderen Landes. Für eine Verstetigung des Austausches wird gerade eine Förderung über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) angestrebt.