„Mein Ziel war es schon, später eine eigene Praxis zu haben“, sagt Adrian Ebert. Doch dass es einmal eine für Allgemeinmedizin werden würde, war dem 25 Jahre alten Absolventen der Medizinischen Fakultät in Halle nicht von vornherein klar. Was ihn davon überzeugt hat? Ein besonderes Projekt der Medizinischen Fakultät in Halle: die „Klasse Allgemeinmedizin“. Das Medizinstudium wird dabei um ein allgemeinmedizinisches Curriculum ergänzt. Dazu gehört, dass die Studierenden zwei Tage pro Semester in einer Hausarztpraxis mitarbeiten und über das gesamte Studium einen praktizierenden Hausarzt als Mentor an ihrer Seite haben.
Adrian Ebert hat mit dem ersten Jahrgang 2011 angefangen und gehört zu den ersten zehn Absolventen, die nun in ihr Praktisches Jahr gestartet sind oder es in den kommenden Wochen noch werden. 2011 hatten 20 Studierende in dem Projekt angefangen. „Vier gehen ins Praktische Jahr, die anderen sechs bereiten sich gerade auf ihre Prüfungen vor. Die Verzögerung kommt unter anderem durch Auslandsaufenthalte oder Schwangerschaften zustande“, sagt Susanne Mittmann, eine der Projektverantwortlichen.
Gleichzeitig ist auch in diesem Semester wieder ein neuer Jahrgang mit 20 Studierenden an den Start gegangen und es gab auch noch drei Nachrücker, die in den Jahrgang 2014 aufgenommen wurden. „Insgesamt haben wir nun 102 angehende Hausärztinnen und Hausärzte in der Klasse Allgemeinmedizin“, so Susanne Mittmann.
„Am Anfang wollte ich nur reinschnuppern, ob es etwas ist, aber nun ist mein Ziel eine Allgemeinmedizin-Praxis, also Hausarzt zu werden“, sagt Adrian Ebert. Das Programm sei ihm direkt in der ersten Studienwoche vorgestellt worden. „Ich habe mich aus dem Bauch heraus dafür beworben. Und bin aufgenommen worden“, sagt der gebürtige Thüringer. An der Klasse Allgemeinmedizin schätze er, dass es ein starker Klassenverband sei, der den Austausch untereinander ermöglicht habe. Und auch das Mentoren-Programm habe ihn überzeugt. Damit sei er regelmäßig in den praktischen Alltag einer Hausarztpraxis eingetaucht – bei seinem Mentor Diplom-Mediziner Jörg Krause in Köthen, der ihn über die gesamte Zeit begleitet habe, sagt Adrian Ebert.
„Gerade für den Anfang des Studiums war das eine angenehme ‚Erfrischung‘, weil es da ja erstmal sehr theoretisch zugeht und man eigentlich kaum Patientenkontakt hat“, sagt er. Als Extrabelastung habe er das nicht empfunden. „So viel mehr Aufwand war es zusätzlich zum normalen Studienalltag nicht.“
Bis Adrian Ebert seine eigene Praxis haben wird, dauert es aber noch ein wenig. Erst muss er noch sein Praktisches Jahr absolvieren, das er zum Teil im Gesundheitszentrum Bitterfeld, das zu den Lehreinrichtungen der Universitätsmedizin Halle (Saale) zählt, macht.
So ähnlich, wie es Adrian Ebert beschreibt, ging es auch Nils Kathmann, der aktuell noch studiert und ebenfalls an der Klasse Allgemeinmedizin teilnimmt. Er ist überzeugt: „Das Interesse für die Allgemeinmedizin muss sich aus dem Studium heraus entwickeln.“ Nur dann werde man auch ein guter Hausarzt. Er sei deshalb kein Freund davon, eine Landarztquote einzuführen, wie es politisch diskutiert werde. Die Klasse Allgemeinmedizin sei deshalb ein besonderes Beispiel, wie man das Problem Hausarztmangel stattdessen lösen könne und diene damit auch anderen Fakultäten als, so der Student. „Wir hören von Studierenden an anderen Medizinischen Fakultäten sehr oft, dass sie uns um die Klasse Allgemeinmedizin beneiden und wir stolz darauf sein können, so ein Projekt zu haben“, ergänzt Nadine Schäfer vom Fachschaftsrat.
„Die Klasse Allgemeinmedizin hat sich etabliert und ist zu einem sinnvollen Instrument geworden, um Medizinstudierende für eine spätere Tätigkeit als Hausarzt, insbesondere auch in ländlichen Regionen, zu begeistern“, sagt Prof. Dr. Michael Gekle, Dekan der Medizinischen Fakultät. Er freue sich zudem, dass es mit dem Hausärzte-Verband Sachsen-Anhalt, der Kassenärztlichen Vereinigung (KVSA), der Deutschen Apotheker- und Ärztebank und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg langjährige Unterstützer des Lehrprojektes gebe. Die KVSA fördert zudem Studierende in der Klasse Allgemeinmedizin mit Stipendien, wenn diese sich im ersten Semester für das Projekt entscheiden und sich dazu entschließen, nach Ende ihrer Facharztausbildung für mindestens fünf Jahre in unterversorgten Regionen Sachsen-Anhalts zu arbeiten.
„Die Klasse Allgemeinmedizin ist ein wichtiges Projekt, um die ambulante hausärztliche Versorgung zu stärken. Mit bis zu 800 Euro monatlich fördern wir die Studierenden, die daran teilnehmen. Dies ist aus unserer Sicht gut angelegtes Geld, weil es den Studierenden hilft, sich auf das Studium und auch die besonderen Angebote der Klasse Allgemeinmedizin zu konzentrieren. Die Klasse Allgemeinmedizin sollte auch an anderen Universitäten angeboten werden“, sagt Dr. Burkhard John, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt.
Mit der Betreuung ist es jedoch nicht vorbei, wenn die Studierenden ins PJ gehen. „Wir sind da aktuell noch in den Planungen. Recht konkret angedacht ist ein Stammtisch, der einmal im Jahr stattfinden soll und auch zum Sommerfest der Allgemeinmedizin sind die Absolventen willkommen. Zudem gibt es Überlegungen, sie an die ärztliche Weiterbildung bei uns anzubinden“, erklärt Susanne Mittmann.
Zusätzlich zur Klasse Allgemeinmedizin hat die Medizinische Fakultät diese Fachrichtung mit der Umwandlung der Sektion Allgemeinmedizin in ein eigenes Institut gestärkt. Der nächste Schritt ist die Einrichtung einer Hausarzt-Übungspraxis im Dachgeschoss des Dorothea Erxleben Lernzentrums, deren Fertigstellung für Ende 2017 vorgesehen ist.