Neue Gesichter in der Universitätsmedizin Halle (Saale)

Im Bereich Geschichte und Ethik der Medizin hat sich in den vergangenen Wochen einiges getan. Gleich mehrere neue Gesichter sind auf dem Medizin-Campus Steintor dazu gekommen. Neben dem neuen Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, Prof. Dr. Jan Schildmann, sind auch Dr. Florian Bruns und Dr. Martina Struwe neu in Halle.

Während Florian Bruns am Institut vor allem den Bereich Geschichte abdeckt, ist Martina Struwe die neue Geschäftsführerin der Geschäftsstelle der Ethikkommission. Beide werden hier nun in kurzen Interviews näher vorgestellt.

Dr. Martina Struwe

Frau Dr. Struwe, Sie haben als Geschäftsführerin der Geschäftsstelle der Ethik-Kommission einen wichtigen Posten im Wissenschaftsbetrieb der Uni-Medizin Halle übernommen, sind aber eigentlich Juristin. Wie passt das zusammen?

Struwe: Ich bin promovierte Juristin, das stimmt, ich hatte allerdings auch immer Berührungspunkte mit der Medizin und der Ethik. Einerseits habe ich noch den Masterstudiengang Medizin-Ethik-Recht an der Uni Halle absolviert und andererseits waren meine ersten beruflichen Stationen nach der Promotion und dem Rechtsreferendariat die Ärztekammer Niedersachsen beziehungsweise danach die Ärztekammer Hamburg. Somit bin ich dem medizinischen Bereich durchaus sehr zugetan. Hinzu kommt, dass es letztlich auch immer um die  rechtliche Absicherung für unsere Forschungsvorhaben geht. Ich freue mich daher sehr, mich nun dieser neuen Aufgabe hier in Halle widmen zu können. Und ich bin wirklich froh, wieder in meiner Heimatstadt Halle zu leben, die habe ich tatsächlich vermisst.

Was beinhaltet denn die Aufgabe als Geschäftsführerin?

Struwe: Ich achte darauf, dass alle für die Bewertung einer Studie durch die Ethik-Kommission erforderlichen Unterlagen vorliegen, plane die monatlichen Sitzungen der Kommission und setze die gefassten Beschlüsse anschließend um. Das heißt konkret, ich entwerfe die schriftlichen Stellungnahmen zu den beratenen Forschungsvorhaben, welche anschließend durch die Kommission nochmals geprüft und schließlich durch den Vorsitzenden ausgefertigt werden. Es wird im Wesentlichen geprüft, dass die Patienten bzw. Probanden umfassend über den Inhalt und den Ablauf der Studie aufgeklärt werden, also umfassend informiert in die Teilnahme an der Studie einwilligen bzw. die Teilnahme ablehnen können. Die Information muss daher laienverständlich formuliert sein und beispielsweise die Risiken umfassend darstellen. Falsche Hoffnungen weckende Versprechen oder suggestive Formulierungen werden moniert. Ein Beispiel, worauf außerdem geachtet wird: Es muss eine Einwilligungserklärung des Patienten bzw. Probanden zur Studienteilnahme eingeholt werden. Ein Einverständnis ist nicht die juristisch korrekte Bezeichnung. Auch Fragebögen prüfen wir. Außerdem prüfen wir beispielsweise auch die Teilnahme hiesiger Studienärzte an multizentrischen Prüfungen, bei denen die Studienleitung an einem anderen Ort in Deutschland liegt. Der Prüfungsmaßstab ist bei diesen Anträgen etwas eingeschränkt, da sich in der Regel bereits die für die Studienleitung zuständige Ethik-Kommission umfassend mit dem Forschungsvorhaben auseinandergesetzt hat. Die umfassendste Prüfung erfolgt sowohl im Vorfeld als auch während der Kommissionsitzungen bei klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bzw. Medizinprodukten. Hier sehen die jeweiligen Gesetze klare Prüfungsschritte und Prüfungsinhalte vor. Dies ist vor dem Hintergrund des Patientenschutzes, es handelt sich um interventionelle Studien, absolut verständlich.

Das Votum unserer Ethik-Kommission teile ich dann den Antragstellern mit. Bei Arzneimittelstudien bzw. Medizinproduktestudien ist die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission neben der Genehmigung durch die Bundesoberbehörde zwingende Voraussetzung, um mit der Studie beginnen zu können.

Ich bin zwar die Geschäftsführerin, aber nicht Teil des eigentlichen neunköpfigen Gremiums Ethik-Kommission. Mein Vorgänger, PD Dr. Jürgen Helm, war als Arzt und Medizinethiker Mitglied der Kommission und gleichzeitig ihr Geschäftsführer. Seinen Posten in der Kommission übernimmt nun Prof. Dr. Jan Schildmann.

Kann eine Studie denn auch abgelehnt werden?

Struwe: Ja, das ist durchaus möglich. Bei Studien nach dem Arzneimittelgesetz oder dem Medizinproduktegesetz ist genau geregelt, welche Gründe zu einer ablehnenden Bewertung führen. Es geht dabei nicht um Verhinderung von Forschung, sondern um die Sicherheit der Patientinnen und Patienten, aber – und auch dies ist ein wichtiger Aspekt – auch um Rechtssicherheit für den Antragsteller. Allerdings ist dies nur sehr selten der Fall. Die Ethik-Kommission versteht sich zuvörderst als beratendes Gremium. Zumeist werden die gegebenen Hinweise der Kommission entsprechend umgesetzt, sodass letztlich eine abschließende positive Stellungnahme erfolgen kann.

Dr. Florian Bruns

Herr Dr. Bruns, wie sind Sie zum Bereich Geschichte und Ethik der Medizin gekommen?

Bruns: Ich habe in Göttingen Medizin studiert und als Arzt in der Inneren Medizin gearbeitet. Gleichzeitig habe ich aber in Berlin auch Geschichte und im Nebenfach Philosophie bis zum Masterabschluss studiert. Ich habe mich einfach für beides interessiert und bin dann auch in der Medizin mit einem medizinhistorischen Thema promoviert worden: Die Medizinethik im Nationalsozialismus. Daher rührt auch mein Interesse für diesen Schwerpunkt und generell für die Zeitgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, also die Zeit ab der Industrialisierung. Die ist auch die wichtigste für unsere Medizinstudierenden, das ist die Zeit, die zu unserer heutigen Gegenwart die Vorgeschichte bietet.

Wie meinen Sie das?

Bruns: In der Zeit ist alles irgendwie im Zeitraffer passiert: Neue Methoden, neue Geräte, neue Erkenntnisse und verschiedene politische Systeme. Damit einhergehend sind auch viele ethische Probleme akut geworden. Problematische Versuche an Menschen, zum Beispiel. Die gab es nicht nur in der Zeit des Nationalsozialismus, sondern leider auch vorher und danach. Zu DDR-Zeiten, an Kindern in Heimen in der Bundesrepublik, an der schwarzen Bevölkerung der USA bis in die 1970er Jahre hinein. Man sollte meinen, dass man folglich schlauer sein sollte und einen historischen Fehler in der Gegenwart nicht nochmal macht. Aber es zeigt sich doch immer wieder: Die Fragen von damals sind die Fragen von heute, das ist eigentlich ein Grundsatz für Medizinhistoriker. Unsere Aufgabe ist es daher vor allem, auch aus historischer Evidenz heraus moralische Werturteile abzugeben. Evidenzbasierte Medizin ist ja das Thema der Gegenwart und der Zukunft. Oder auch Ärztinnen und Ärzte und die, die es werden wollen, darauf basierend zu beraten, denn diese studieren ja normalerweise nicht Geschichte und haben trotzdem viele Fragen, die sie betreffen. Den Studierenden kaue ich allerdings nichts vor, sondern lasse sie selbst zu ihrem Urteil kommen und es ist immer wieder spannend zu sehen, welche unterschiedlichen Ansichten zutage treten und wie unterschiedlich Studierende an verschiedenen Standorten in Deutschland zu den gleichen Themen ticken.

Welche Fragen von damals sind es denn heute noch oder wieder aktuell?

Bruns: Das beginnt bei der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Da gibt es genügend Parallelen zur heutigen Zeit: In der Weimarer Republik gab es eine staatlich finanzierte medizinische Versorgung, die die Nazis mit vielen Versprechungen für die Ärzteschaft abgeschafft haben. In der DDR gab es ebenfalls ein staatliches Gesundheitswesen, die Behandlung sollte unabhängig von finanziellen Interessen der Ärzte sein. Und heute sind wir wieder in der ökonomisierten Gesundheitsversorgung und die Frage ist: Muss das so sein oder ginge es auch anders?

Ansonsten ist auch immer wieder die Objektivierung des Menschen durch Medizin und Wissenschaft ein Thema. Wie gelingt und gelang es Ärzten, den Patienten als Menschen und nicht als Fall wahrzunehmen? Und unter welchen Bedingungen gelang dies nicht?

Ein Dauerbrenner ist auch die Stigmatisierung von psychisch erkrankten Menschen. Die Diskussion darüber ist ja kürzlich mit einem Gesetzesentwurf in Bayern neu entfacht worden. Auch für solche Debatten ist historisches Wissen wichtig. Ich habe darüber einen ausführlichen Gastbeitrag in der Online-Ausgabe der ZEIT veröffentlicht.

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